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Friedrich Fröbel

Sein Leben und Einfluss auf die Pädagogik

Miriam LeBlanc | Juni 2012

Wie war das Leben, als es noch keine Kindergärten und noch kein Bewusstsein von Kindheit gab? Kinder mussten in Bergwerken und Fabriken schuften, an Geburtstagsfeiern war nicht zu denken und mit sieben Jahren galten Kinder als volljährig… bis Friedrich Fröbel (1782–1852) kam und den Kindergarten erfand – vielleicht eine Reaktion auf seine eigene Kindheit, die er in Obhut seiner Stiefmutter verbringen musste. Diese Frau scheint eine „böse Stiefmutter“ gewesen zu sein, wie sie sonst nur in Märchen vorkommen. Sicher ist, dass sie Friedrich Fröbel nur sehr wenig Liebe oder Aufmerksamkeit entgegenbrachte.

Inzwischen schreiben wir das einundzwanzigste Jahrhundert, und der Höhepunkt der gesellschaftlichen Wertschätzung für die Kindheit scheint überschritten zu sein. Heute wachsen Kinder unter völlig anderen Umständen auf – und mit völlig anderen Belastungen. Unsere Kinder graben nicht mehr nach Kohle, aber sie sind anderen Dingen ausgesetzt, wie der Verschulung der frühkindlichen Bildung und dem Druck der Medien, seien es soziale Netzwerke oder Werbung.  Außerdem haben immer weniger Kinder die Möglichkeit, einfach draußen in freier Natur zu spielen. Fröbels Pädagogik ist heute relevanter denn je.

Fröbel wuchs inmitten der romantischen Schönheit des Thüringer Waldes auf. In dieser Landschaft, die auch für seinen berühmten Zeitgenossen Goethe Inspiration war, entwickelte sich seine Liebe zur Natur. Die Nähe zur Natur, in der der tiefgläubige Fröbel die Schöpfung Gottes sah, nahm eine zentrale Stellung für Fröbels pädagogische Ansichten ein. In seinem Denken gehört alles Leben zu einer großen Einheit und ist miteinander verbunden.

„Spiel ist die höchste Stufe der Kindesentwicklung, der Menschenentwicklung dieser Zeit; denn es ist freitätige Darstellung des Inneren, die Darstellung des Inneren aus Notwendigkeit und Bedürfnis des Inneren selbst…“ Friedrich Fröbel

Keilhau Keilhau in Thüringen

Kindheit und Jugend

Fröbels Auseinandersetzung mit Kindererziehung nimmt ihren Anfang durch eine ungewöhnliche Verkettung von Umständen: Als Kind hat er Probleme mit Sprache und Schreiben, entwickelt aber eine erstaunliche Fähigkeit, Anschauliches wie Geometrie und Kartenzeichnen zu begreifen und zu beherrschen. In seiner zweijährigen Lehre bei einem thüringischen Förster entdeckt der 15-Jährige seine Begeisterung für die Natur. Einen Hang zur Autodidaktik hat er ohnehin. Also beginnt er, Pflanzen in seiner Umgebung zu sammeln und zu kategorisieren. Bücher über alle möglichen Themengebiete verschlingt er geradezu. 1805, nach einem Abstecher an die Universität Jena, beschließt er, Architektur zu seinem Fachgebiet zu machen.

Hinwendung zur Pädagogik

Plötzlich und unerwartet kommt es zu einer Kursänderung: Ein Freund (vielleicht jemand, der den hochbegabten jungen Mann versteht), rät von Architektur ab und schlägt Fröbel vor, Lehrer zu werden. Dies löst scheinbar eine Art Offenbarung aus. Der angehende Architekt lässt seine Pläne fallen und entschließt sich, Erziehung zu seinem Beruf zu machen. Er nimmt eine Einladung an, an einer Schule in Frankfurt zu lehren, eine der ersten Schulen, die auf der Grundlage der progressiven Pädagogik Johann Heinrich Pestalozzis arbeitet. Pestalozzi (1746–1827) verstand das Kind als mit enormen schlummernden Potentialen ausgestattet – und mit dem angeborenen Verlangen zu lernen. Die Lehrer an dieser Schule unterstützten die natürliche Neugier und den angeborenen Forscherdrang der Kinder: Für Schule der Jahrhundertwende ein neues und gewagtes pädagogisches Konzept, wo schon von kleinen Kinder erwartet wurde, dass sie endlose Vorträge anhören und stundenlang auswendig lernen sollten.

Nach zwei Jahren als Lehrer in Frankfurt verbringt Fröbel die Jahre 1808 bis 1810 unter der Führung Pestalozzis an dessen Schule in Yverdon, was ihn tief prägt. Pestalozzis pädagogische Vorstellungen finden sich an vielen Stellen von Fröbels erstem Werk, Die Menschenerziehung. Hierher kommt auch sein bekanntes Motto: „Kommt, lasst uns unsern Kindern leben!“ Fröbel sieht den Menschen als von Natur aus kreatives Wesen. Spielen ist für ihn eine notwendige Entwicklungsphase in der ganzheitlichen Kindererziehung. Im Spiel werde die ganze Vorstellungskraft und sämtlichen körperlichen Fähigkeiten eingesetzt, wenn das Kind seine Interessen verfolge. Was heute ein Allgemeinplatz ist, ist Anfang des 19. Jahrhunderts ein revolutionärer Gedanke. (Die meisten von Fröbels Zeitgenossen sehen Spiel noch als Zeitvertreib ohne jeglichen,  über den momentanen Spaß hinausgehenden, Nutzen. Kinder werden als Miniatur-Erwachsene angesehen, aus denen so schnell wie möglich wirtschaftlich produktive Mitglieder der Gesellschaft werden sollen.)

Porträt von Friedrich Frebel

Nach weiteren Studien an der Universität Göttingen und einem Einsatz in den Befreiungskriegen gegen Napoleon (1812–1814) verdient sich Fröbel seinen Unterhalt als Assistent des Mineralogischen Museums der Universität von Berlin. Dort verbringt er die nächsten zwei Jahre damit, die gigantische Mineraliensammlung zu sortieren und zu klassifizieren. Nebenbei besucht er Vorlesungen in Kristallografie und Mineralogie. Seine Beobachtung der geometrisch geformten Oberflächen von Kristallen stärkt ihn in dem Glauben, dass die natürliche Welt von festen Gesetzen regiert wird und dass dieselben Gesetze auch die Entwicklung von Kindern, Erwachsenen, ja von ganzen Gesellschaften regeln. Also könnte die Schöpfungslogik durch die Variation und Manipulation von geometrischen Formen verdeutlicht werden.

Schulgründungen und der erste Kindergarten

Eine Professur für Mineralogie, die Fröbel 1816 angeboten wird, schlägt er aus. Stattdessen verwirklicht er seinen Traum von der Gründung einer eigenen Schule, wo er herausfinden kann, wie sich seine Beobachtungen in der Erziehung von Kindern bewähren. In Griesheim bei Arnstadt (Thüringen) gründet er noch im selben Jahr die „Allgemeine Deutsche Erziehungsanstalt“, die er im Folgejahr nach Keilhau bei Rudolstadt verlegt. Fröbel selbst leitet diese Schule bis zum Jahr 1830, dann übergibt er die Leitung an seine Freunde Middendorf und Langethal. Er selbst geht in die Schweiz, um dort Schulen zu gründen, die auf der Grundlage seiner Pädagogik arbeiten sollen. 1837 kehrt er nach Thüringen zurück und widmet sich der Erziehung von Kindern im Vorschulalter. Dies mündet 1840 in der Gründung des ersten Kindergartens in Blankenburg. Bis zu diesem Zeitpunkt gibt es noch kein Erziehungssystem für Kinder unter sieben Jahren. Man ist ohnehin der Meinung, dass derart kleine Kinder noch nicht in der Lage sind, sich nennenswerte soziale oder intellektuelle Fähigkeiten anzueignen.

Gaben, Techniken und die Bedeutung des Bausteinspiels

Fröbel stellt auch andere Bräuche in Frage. Zum Beispiel sind Kinderspielzeuge zu seiner Zeit generell sehr detailliert und verziert. In Fröbels Augen ist das vollkommen ungeeignet für kleine Kinder. Für seinen Lehrplan entwirft er einfache Spielzeuge, die er „Gaben“ nennt; passend dazu die entsprechenden „Techniken“. Beide sind für Kindergarten und Schule gedacht: Kinder sollen durch praktisches „Be-Greifen“ und Spiel lernen.

Ein heute sehr verbreitetes Missverständnis ist, die Gaben seien in erster Linie als mathematisches Lernmaterial gedacht gewesen. Fröbels Beschäftigung mit der Kategorisierung von Kristallen zeigt aber, dass die Bedeutung der Gaben weit über das Feld Rechnen und Mathematik hinausgeht: Sie öffnen ein Fenster in die innere Welt des Kindes und führen es zu einem tieferen Verständnis der Welt und der Zusammenhänge aller Dinge. Die Gaben sind somit tief mit dem eingangs erwähnten Einheitsgedanken Fröbels verbunden.

Grundlegend für die Entwicklung der Gaben war für Fröbel die Erkenntnis, wie wertvoll das Spiel mit Bausteinen ist. Er war davon überzeugt, dass Bausteinspiel Wesensausdruck des Kindes ist und ebenso die Einheit der Welt widerspiegelt. Bausteine verkörpern hierbei die Grundbestandteile des Universums. Das Spiel des Kindes, das die einzelnen Bausteine zu einem Ganzen zusammenfügt, symbolisiert die Symmetrie der Seele. Durch die richtige Verwendung der Gaben entwickelt sich das Kind ein Verständnis davon, wie das Konkrete sich zum Abstrakten verhält: Von den dreidimensionalen Gebilden aus Bausteinen über die zweidimensionalen Flächen, die mit kleinen Holzfliesen gelegt werden bis hin zu rein linearen Objekten aus Stöckchen. Punkte (Mit Nadeln in Papier gestochene Löcher) markieren dann den Wendepunkt. Das Kind kehrt zur Zweidimensionalität zurück, indem es kleine Bällchen mit Stöckchen verbindet und zur dreidimensionalen Plastik durch modellierendes Arbeiten mit Lehm und Ton.

Der Fröbelblick Der Fröbelblick nahe Keilhau Hier soll Friedrich Fröbel den Begriff „Kindergarten“ geprägt haben.

Fröbels Vermächtnis

Fröbel selbst erlebte das Aufblühen seines Kindergartenkonzeptes („Ein Garten für Kinder“) nicht mehr. 1851, ein Jahr vor seinem Tod, erließ Preußen ein Kindergartenverbot, um die „atheistischen und demagogischen“ Einflüsse dieser Form von Erziehung zu stoppen. (Warum fühlte sich der preußische Staat so bedroht? Könnte es sein, dass die Kinder, die Fröbels Kindergärten durchlaufen hatten, selbstständig zu denken anfingen und nicht mehr ganz so brave Untertanen waren?) Dennoch verbreitete sich das Erbe des großen Pädagogen, vor allem durch die unermüdliche Arbeit seiner Mitarbeiter. Johann Arnold Barop, der Fröbels Nichte geheiratet hatte, war einer von ihnen. Während einige von Fröbels Schülern ins Ausland gingen, um sein Konzept dort bekannt zu machen, übernahm Barop 1833 die junge Schule in Keilhau. Ihm wird das Überleben dieser Schule in der Zeit der Bedrängung durch die preußische Regierung zugute gehalten. In Keilhau und später in vielen anderen Einrichtungen nahmen Fröbels Visionen Gestalt an – vor allem in den ersten Kindergärten des späten 19. Jahrhunderts. Die Auswirkungen reichen jedoch ins 20. Jahrhundert und auch darüber hinaus.

2 Kinder spielen in einem Bach

Ein Kreis schließt sich: Anfang des 20. Jahrhunderts besucht Barops Enkelin Annemarie die Schule in Keilhau. (Ihr Vater ist der Direktor der Schule.) Als junge Erwachsene tritt Annemarie im Jahr 1932 der Lebens- und Arbeitsgemeinschaft bei, die später Community Playthings gründen wird. Hier, wo Familie und Schule untrennbar zusammengehören, findet sie eine Umgebung, die mit Fröbels Philosophie einer unfragmentierten Welt harmoniert. Schon bald engagiert sie sich im Kindergarten der Gemeinschaft und übt einen wichtigen Einfluss aus, der bis weit in die Zukunft hinein wirkt. Später wird Community Playthings gegründet, und der pädagogische Ethos, den Annemarie in Schule und Elternhaus in sich aufgenommen hat, fließt in die Unternehmensphilosophie ein.

Auch heute noch findet in der Fröbelschule in Keilhau Unterricht statt. Vieles von dem, was dort praktiziert wird, zeugt noch heute von Fröbels Pädagogik, der Pädagogik, die unsere Gemeinschaft und unser Unternehmen bis zum heutigen Tag prägt.


Mehr Informationen gibt es u.A. beim Fröbelmuseum in Bad Blankenburg, auf Fröbeldekade und auf Froebel Web

Themen
Fröbel, Bausteinspiel
Alter
Alle Altersgruppen
Verwendung
Ausbildung, Weiterbildung