Bausteinspiel und räumliches Vorstellungsvermögen
Es wird Zeit, Bausteine wieder in den Mittelpunkt zu rücken!
| August 2025Während ich wieder mal für eine Schulung frühpädagogischer Erziehungskräfte Kisten voller Bausteine und gefundener Materialien in meinen Kofferraum lade, sage ich mir, dass ich langsam zu alt für diese Schlepperei bin. Doch sobald mir dieser Gedanke durch den Kopf geht, werde ich von Begeisterung und Energie ergriffen. Nach sechs Jahren, in denen ich berufliche Schulungsmodule für Erziehungskräfte zur Erkundung von Materialien geleitet habe, bin ich überzeugter denn je, dass Bausteine zu den wichtigsten Materialien in den Gruppenräumen von Kitas und Kindergärten gehören.
„Warum wird dann zwecks Vorbereitung auf die Schule das Spiel mit Bausteinen an den Rand gedrängt oder verschwindet sogar komplett aus den Einrichtungen?“, fragt Margie Carter im Vorwort zu „Creative Block Play“ (Hansel, 2017). Kleine Kinder sitzen heute zunehmend vor zweidimensionalen Bildschirmen und Arbeitsblättern, anstatt fantasievolle, praktische, sensorische Erfahrungen mit dreidimensionalen Objekten zu machen (Hansel, 2015). Warum ist das ein Problem und was macht Bausteine und insbesondere Holzbausteine zu einem so wichtigen Material für kleine Kinder?
Die Wissenschaft des Bausteinspiels, Mathematik und Formen
Viele Fachleute für Frühpädagogik wie Friedrich Fröbel, Caroline Pratt, Harriet Johnson, Elizabeth Hirsch und Mary Jo Pollman haben die Bedeutung von Bausteinen im Lernprozess von Kindern dokumentiert und zeigen, dass Kinder, denen die Zeit gegeben wird, mit Bausteinen zu planen, zu bauen und zu kreieren, sich sozial, emotional, kognitiv und physisch weiterentwickeln (Hansel, 2017, 5). Diese Aussage wird nun von Wissenschaftlern bestätigt, die anhand neuer Technologien die inneren Prozesse des Gehirns untersuchen.
Laut Dr. Jo Boaler, Professorin für mathematische Bildung an der Stanford University, zeigt die Gehirnforschung jetzt, dass bei intensivem Lernen die synaptische Aktivität im Gehirn dauerhafte Verbindungen aufbaut (im Gegensatz zu Situationen, in denen man nur oberflächlich lernt) und dass „Synapsen feuern, wenn wir Gespräche führen, Spiele spielen oder mit Spielzeug bauen“ (Boaler, 2016, 1). Anders ausgedrückt: Das Bauen mit Bausteinen, um ihre dreidimensionalen Eigenschaften zu erleben, erzeugt dauerhafte Pfade im Gehirn und fördert ein tieferes Formverständnis, während das Identifizieren dreidimensionaler Formen in einem Arbeitsbuch Formverständnis und Dreidimensionalität eher nicht fördern dürfte.
Die Bedeutung von räumlichem Vorstellungsvermögen
Es gibt zudem interessante neue Informationen, die gutes räumliches Vorstellungsvermögen mit den zukünftigen Leistungen von Kindern in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) in Verbindung bringen (Lubinski, 2013; Newcombe, 2010). „Trotz der Beweislage wird die Bedeutung von räumlichem Vorstellungsvermögen als entscheidender Faktor der MINT-Bildung oft übersehen. Das häufige Vernachlässigen der Entwicklung von räumlichem Vorstellungsvermögen erzeugt eine zusätzliche Hürde für Kinder in den MINT-Fächern“ (Berkowicz und Myers, 2017) und erinnert alle, die in der Frühpädagogik tätig sind, daran, dass wir auf die Entwicklung von räumlichem Vorstellungsvermögen achten müssen. Natürlich ist es wichtig, das Fundament in den MINT-Fächern zu legen, insbesondere für vernachlässigte Gruppen und diejenigen, die – wie beispielsweise Mädchen – im MINT-Bereich unterrepräsentiert sind. Aber auch in vielen anderen Bereichen sowie im Alltag ist räumliches Vorstellungsvermögen von Bedeutung, z. B. wenn wir Bausteine in unseren Kofferraum laden und zum ersten Mal an einen neuen Ort navigieren.
Die gute Nachricht ist, dass sich räumliches Vorstellungsvermögen durch Üben verbessern lässt. Zwar gibt es bisher keine von allen Fachleuten akzeptierte Definition des räumlichen Vorstellungsvermögens (Hansel, 2017, 20), doch die meisten sind sich einig, dass die Verwendung von Lernspielzeug Kindern hilft, abstrakte Konzepte zu verstehen. Holzbausteine sind ein perfektes Beispiel für ein kinderfreundliches Lernspielzeug, das eingesetzt werden kann, um das räumliche Vorstellungsvermögen zu stärken. Überlegen Sie, wie ein Kind einen Zoo mit Bausteinen nachbaut, während es sich eng an der Karte eines Zoos orientiert und sorgfältig sicherstellt, dass jedes Tier im Zoo in die Gehege passt, die es maßstabsgetreu nachgebildet hat.
Welche Spiele mit Bausteinen fördern räumliches Vorstellungsvermögen?
Beginnen Sie damit, Kindern reichlich Zeit für ergebnisoffene Experimente mit Bausteinen zu geben, aber belassen Sie es nicht dabei. Wenn Sie sehen wollen, wie das räumliche Vorstellungsvermögen von Kindern richtig aufblüht, arbeiten Sie auf die in der nachstehenden Tabelle aufgeführten Kompetenzen hin und bieten Sie Bausteinspiele an, die räumliche Sprache und anspruchsvolle Aufgaben fördern. Jetzt sind Sie dran!
Aktivitäten mit Bausteinen | Räumliche Kompetenz |
---|---|
Bauen mit Bausteinen | Verwandeln von Formen durch Drehen, Schieben oder Umdrehen (Bilden von möglichst vielen Kombinationen durch verschiedene Bewegungen) |
Füllen von Behältern mit Bausteinen, Füllen von eingegrenzten Bereichen mit Objekten | Lernen, Fassungsvermögen und Volumen einzuschätzen: Wie viele passen in den Behälter? Passt das Objekt in den eingegrenzten Bereich? |
Bausteine zusammenstecken und trennen | Auseinandernehmen (Integration Teil-Ganzes, die das Erkennen von Formen, die in andere Formen eingebettet sind, und das Erkennen als Ganzes beinhaltet) |
Verändern der Form und Anordnung von Bausteinen durch Stapeln und Umschließen | Zusammensetzen (physisch oder mental Formen kombinieren, um verschiedene Formen zu bilden) |
Betrachten von Bausteinkonstruktionen aus verschiedenen Blickwinkeln, wie von oben, von hinten oder vor einem Spiegel | Einnehmen von verschiedenen Perspektiven (Berücksichtigen der Perspektive einer Person, die sich an einem anderen Ort befindet, und wie diese Sicht sich von der eigenen unterscheiden könnte) |
Beschreiben von Positionen, Richtungen und Abständen während des Bauens, wie außen, innen, über und unter | Verwendung von räumlicher Sprache im Kontext |
Bauen auf dem Boden oder im Freien | Bewegen des eigenen Körpers im Raum |
Verwenden von Bausteinen zur Darstellung anderer Objekte | Symbolisches Repräsentieren eines Objekts mit einem anderen |
Interpretieren räumlicher Beziehungen in Zeichnungen, Bildern und Fotos | Verwenden nicht verbaler Folgerungen: Erkennen von Verbindungen zwischen dreidimensionalen Objekten und zweidimensionalen Darstellungen |
Zeichnen von dreidimensionalen Konstruktionen oder Nachbilden echter Bauwerke | Verstehen von räumlichen Beziehungen und Verstärken des visuell-räumlichen Erinnerungsvermögen |
Vergleichen und Messen der Größe, Form, Dicke, Länge und Höhe von Bausteinen | Vergleichen von Objekten: Vergrößern oder Verkleinern (Vorstellen von Objekten oder Mengen als proportional größer oder kleiner) |
Bauen eines Modells anhand einer Karte oder eines Bauplans | Visuelles Interpretieren von Karten oder Bauplänen |
Bauen einer Brücke | Lernen, den Abstand zwischen Objekten einzuschätzen |
Gestalten mit Bausteinen | Bilden von Mustern (radial, linear, symmetrisches Mosaik) |
Verstecken spielen mit Bausteinen | Suchen der und Erinnern an die Positionen von Objekten |
Zurückräumen von Bausteinen in die Regale (die mit den Formen der Bausteine gekennzeichnet sind) | Klassifizieren, Sortieren und Bilden von Abfolgen mit Formen |
Literaturhinweise
Berkowicz, Jill, und Myers, Ann. „Spatial Skills: A Neglected Dimension of Early STEM Education“. Aufgerufen am 27. Juni 2017 hier.
Boaler, Jo (2016). Mathematical Mindsets: Unleashing Students’ Potential through Creative Math, Inspiring Messages and Innovative Teaching. San Francisco, CA: Jossey-Bass.
Hansel, Rosanne (2017). Creative Block Play: A Comprehensive Guide to Learning through Building. St. Paul, MN: Redleaf Press.
Hansel, Rosanne (2015). „Bringing Blocks Back to the Kindergarten Classroom“. Young Children 70 (1):44–51.
Lubinski, David (2013). „Early Spatial Reasoning Predicts Later Creativity and Innovation, Especially in STEM Fields“. Science Daily. 15. Juli 2013.
Newcombe, Nora (2010). „Picture This: Increasing Math and Science Learning by Improving Spatial Thinking“. American Educator, Sommer 2010, 29–43.
Pollman, Mary Jo (2010). Blocks and Beyond: Strengthening Early Math and Science Skills through Spatial Learning. Baltimore, MD: Brookes.