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Spielzeiten sind Bildungszeiten

Margit Franz | November 2016

Zwei Mädchen spielen mit einer Puppenküche

Spielzeiten ermöglichen

Spielen braucht Zeit. Ein Verhalten, das derart interessiert, engagiert, fantasievoll und ernsthaft betrieben wird, kann nicht auf kleine Zeitfenster reduziert werden, in denen gerade nichts Wichtigeres auf dem Programm steht, nach dem Motto „Ihr dürft jetzt ein bisschen spielen!“ und im Nebensatz gleich hinterher: „Aber räumt nicht so viel aus, das lohnt sich nämlich nicht mehr!“ Im Klartext: Eigentlich könnt ihr es gleich bleiben lassen! – Im Gegensatz zu digitalen Medien kann das Spiel eines Kindes nicht per Mausklick unterbrochen, x-beliebig ein- und ausgeschaltet oder der Spielverlauf geändert werden. Wie entzaubernd sich Spielstörungen auswirken können, beschreibt anschaulich Josef Reding im „Gedicht vom Spinatesser“: „Bevor Olaf Grunnholm die Brücke über den hellgrünen, reißenden Fluss Tra-Um vollenden kann, wird er verschleppt. Als er nach langer Zeit zu seiner Arbeit zurückkehren darf, hat er das Geheimnis vergessen; die Brücke wird nie mehr zu Ende gebaut. Olaf ist drei Jahre alt. Man hat ihn von seinen Bausteinen zum Spinatessen geholt. Es stehen viele halbfertige Brücken am hellgrünen, reißenden Fluss Tra-Um.“

Spielzeit ist Bildungszeit!

„Spielzeiten haben im kindlichen Leben eine Schlüsselfunktion für die aktive Selbstgestaltung seiner Beziehungen zu Umwelt. Weil die Umwelt für das Kind eine vielgestaltige, überraschungsreiche und interessante Wirklichkeit darstellt, benötigt es sehr viel Zeit, sie kennen zu lernen, zu erleben, zu gestalten. […] Das Spiel ist die jedem kindlichen Entwicklungsniveau natürlicherweise angemessene Form, den Wirklichkeitsbezug so zu gestalten, dass er für das Kind sinnerfüllt ist. Dies gilt für jeden Entwicklungsstand, für jedes Niveau der entwickelten Spielformen und für jede Zeit, während der Kinder spielen. Spielzeit ist aufgrund dessen eine höchst wertvolle Zeit, eine Zeit des Wohlbefindens, des Erlebens und Erkennens, die Entwicklungschancen schafft, individuelle Begabungen und Potentiale freisetzt.“ (Hans Mogel, 2008, 119) Hat ein Kind nur wenig Zeit zum Spielen, kann es seine Beziehungen zur Welt nur begrenzt entwickeln. Für Erwachsene verbindet sich damit die Aufforderung, mit der Zeit der Kinder verantwortungsvoll umzugehen und sich dafür einzusetzen, dass Kinder zu ihrem Recht auf ihre freie Spiel-Frei-Zeit kommen.

Zeitverschwendung durch Spielen?

Solange Erwachsene jedoch vehement an der Meinung festhalten, dass beim Spielen wertvolle Lebenszeit verloren ginge und kostbare Bildungszeit vergeudet würde, solange nimmt das Kinderspiel nicht den Stellenwert ein, der ihm gebührt: Hauptsache Spielen! Wenn wir Kindern zu wenig Zeit zum Spielen gewähren, begrenzen wir nicht nur ihr Recht auf Spielen, sondern unterbinden auch das zu sein, was sie sind, nämlich Kinder. Wenn Kinder in ihrem Spiel immer wieder gestört oder vom Spielen sogar abgehalten werden, hat dies große Auswirkungen auf ihr Spielverhalten und die Qualität ihres Spiels.


Aus: Franz, Margit (2016): „Heute wieder nur gespielt“ – und dabei viel gelernt! Den Stellenwert des kindlichen Spiels überzeugend darstellen, S. 108 - 110. München.

Bezugsquelle: www.donbosco-medien.de/ean/9783769822083

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